“ Es regnet!“ Remo ist der Erste, der gegen neun aufgesteht und die Frage, die ich mir im Halbschlaf gestellt habe: „Ist das der Ventilator, der so laut ist?“ beantwortet hat. Die Wettervorhersage hatte eigentlich täglich Regen bis auf Samstag vorhergesagt. Es blieb die ganze Zeit trocken, was glaube ich toll für Varanasi war, dafür ist dieser Regen jetzt Wahnsinn! Er hämmert in solcher Lautstärke auf die Dächer! Die Fenster im Hotel halten den Massen nicht stand und auf dem schönen schwarz-weißen Marmorboden bilden sich Pfützen. Das Sträßchen zum Ghat unten ist ein reißender Fluss. Die Frauen nutzen die Gelegenheit und kehren den Dreck von den Gehwegen in den „Fluss“ zu dem sich die Strasse verwandelt hat, der ihn mit in den Ganges nimmt, der über Nacht – es is kaum zu fassen- fast 2 Meter gestiegen ist- dieser riesig breite Strom! Übermütig springen Jungs in den Ganges, lautes Johlen uns Skandieren ist zu hören. Wir beobachten das Schauspiel durch die „Regenvorhänge“ der mit Wellblech überdachten Terrassen der verschiedenen Stockwerke aus für über eine Stunde….
Wir gehen kurz frühstücken und dann gleich wieder auf unsere geschützte Aussichtsterasse, lesen, spielen- sau gemütlich im noch immer andauernde Regen- und Wäsche sortieren- wir sind jetzt einmal durch durch unsere Klamotten …. Um 15:00 wird ein Taxi kommen und uns zum Bahnhof bringen. Der ist maximal 5 km weit weg, aber der Verkehr um die Uhrzeit plus Regen und Montag, an dem dem besonders viele Pilger zum goldenen Tempel wollen, rechtfertigen eine Abfahrt 2 1/2 Stunden vorher.
Glenn und Neo sind am meisten erkältet noch würde ich sagen. Bei Remo ist alles locker jetzt, aber die anderen 2 bekommen noch regelmäßig Hustensaft, Salzwasser-Nasensprays, Tabletten, Tropfen….ich sag bescheid, wenn´s weg ist. Auch 3 Tage im Grünen in Barathpur tut den Lungen gut.
Abenteuer Zug fahren!!!
Die Varanasi Junction ist ein Gebäude aus den 40-er Jahren würde ich sagen. Ein langer cremeweisser Riegel mit rot-verzierten Simsen.. Auf dem Gelände davor tanzen Shiva-Pilger wild zu lauter Musik und ein Heer von Taxis und Motorikshaws drängt sich auf dem Platz. Auch drinnen sind fast 50% der Menschen orangene Shiva-Pilger. Grossfamilien schlafen buntgewandet auf ausgebreiteten Decken auf dem Boden. Sie nutzen den Platz auf ihrer jeweiligen Decke wo geschickt aus, dass man , schaut man nur kurz hin, den Eindruck gewinnt, als schaue man in ein Kaleidoskop aus Körpern.
Am Tourist-Schalter sagt man uns, wir sollen , obwohl Bahnsteig 9 angeschlagen ist, für unseren Marudhar Express, trotzdem auf die Durchsagen achten. Wir haben noch eine Stunde Zeit und sind für die 13 Stunden Fahrt nur mit mauen Käsesandwiches aus dem Hotel gerüstet und haben Hunger. Also schlagen wir uns mit unseren Rucksäcken noch mal nach draußen auf die Hauptstraße durch, wo ich lauter Essensstände gesehen habe. Glenn und ich essen uns mit frischem Kichererbsenbrotbällchen und 2 Veg massalas voll. Wir kaufen beim dritten Stand noch Obst ( die ersten 2 wollten unverschämte Summen! Da werd ich ja fuchsteufelswild, will mir ein bis zu den Knien in Monsun-Schlamm stehender Inder einreden will, seine Orangen kosten mehr als auf dem Elisabethmarkt), Kekse und Chips.
Auf unserem Bahnsteig angekommen, sind wir pitschnass vom Laufen und Tragen unseres Gepäcks. Viele Rinnsale bahnen sich anhaltend unter unseren Hemden ihren Weg. Wir finden einen Sitzplatz! und werden wir von 3 Kindern mit kleinen Zirkusstücken unterhalten. Das Mädchen ist vielleicht neun und ihre kleinen Brüder 4 und 7. Sie machen Flickflacks und schieben sich zusammengefaltet durch schmale Metallreifen. Sie könnten eins zu eins auch Zigeuner sein. Diese wilden Augen in den hübschen dunklen Gesichtern…ich sehe da keinen Unterschied…
Es ist 20 min vor Abfahrt unseres Zuges und der Zug auf Gleis 9, der vor Ca 20 min eingefahren ist ( Jodhpur-Varanasi steht drauf) macht keine Anstalten wegzufahren!
Bei seiner Einfahrt konnten wir beobachten, wie sich, noch bevor er hält, Menschen übereinander durch die schmalen Fenster in die Abteile schmissen. Was voll cool ist, weil wir das gerade in einem meiner Lieblingskapitel in Shantaram gelesen haben und wir dem jetzt begeistert in der Realität beiwohnen dürfen. Begeisterung!
Komisch, wo ist unser Zug?- ich frag mal-. Das ist der Marudhar-Express!!! ( Steht nur was anderes drauf!) Wir schultern alles und flitzen, soweit das in Flip-Flops möglich ist, zum anderen Ende des Zuges, weil da angeblich unser Waggon ist. „Wie lang können Züge sein?!!!“ Nach 15 min bewegt sich der Zug. Meiner Meinung 5 min zu früh. ( Aber ich hab da ein schlechtes Karma- gell Mami? -Venedig? )( Mir ist vor kurzem erst ein Zug vor der Nase weggefahren- meine Mutter drin:), ich draußen, eine andere Geschichte…)und wir springen auf. Echt!- wir SPRINGEN in den langsam anrollenden Waggon- und fragen im Zug sicherheitshalber noch mal „to Agra?“ „Yes, yes“ und indisches Kopfwiegen…:)))
Ein Waggon weiter sind unsere Betten. Wir sind wieder komplett nass:) Beste Laune. Rucksäcke abgeladen, Betten gemacht, Glenn , Remo und Neo schlafen oben, ich unten , noch ein bisschen Shantaram und schlaaaaaaafen. Ich liiiiiiebe schlafen im Zug, wenns so ruckelt. Wir liegen auf der Achse:) – schöner wird’s nicht und das meine ich so. Herrlich, ein bisschen rausgucken, es wird ruraler- dämmert- Sandwiches- plumpsklo- Hände waschen- schlaaafen…..
Von meinem Schlafwagen gesendet.